Die schlimme Situation der Honorarlehrer in
Deutschland: Warum manche Akademiker unterhalb der Armutsgrenze verdienen
04.05.2009 - Von Simone | Janson:
An einem ganz normalen
Dienstagmorgen klingelt der Wecker bei der Lehrerin um 6.45 Uhr. Nach Hause
kommt sie aber erst gegen 21 Uhr. Dennoch hat sie im Monat kaum mehr als 882,50
Euro für Miete und Lebensmittel übrig. Und das, obwohl sie ihr Studium der Politik
und Anglistik mit hervorragenden Noten abgeschlossen hat.
Trotz politischer Bedeutung nur Mindestlöhne
Susanne Hausner
unterrichtet Deutsch als Fremdsprache in einem Integrationskurs an einer
Weiterbildungseinrichtung in Nordrhein Westfalen. Der Name ist ein Pseudonym,
denn Hausner riskiert mit diesem Interview ihren Job. Und der ist mehr als
schlecht bezahlt:
Denn obwohl für den
Staat die Integration von Ausländern eine wichtige Aufgabe darstellt, sieht er
für deren Lehrkräfte nur ein Mindesthonorar von 15 Euro pro Unterrichtsstunde
vor. Lehrkräfte wohlgemerkt, die in der Regel ein abgeschlossenes
Hochschulstudium sowie eine Zusatzqualifikation für Deutsch als Fremdsprache
vorweisen können. Zum Vergleich: Der gesetzliche Mindestlohn für
Bauhilfsarbeiter beträgt etwa 1565 Euro; Löhne unter 1440 Euro gelten als
Armutslöhne.Vom Kargen lohn geht noch die Sozialversicherung ab
Doch die 15 Euro in
der Stunde kann Susanne Hausner nicht etwa behalten: Da sie nicht angestellt
ist, sondern freiberuflich arbeitet, muss sie von ihrem kargen Honorar auch
noch ihre Kranken- und Pflegeversicherung komplett selbst bezahlen, das sind
noch einmal 15,1 Prozent weniger im Monat.
Außerdem gehören
Honorarlehrer zu den Selbständigen, die darüber hinaus gesetzlich verpflichtet
sind, jeden Monat 19,9 Prozent ihres Einkommens in die gesetzliche Rentenkasse
einzuzahlen. Dass sich viele Lehrer um diese Pflicht herumdrücken und lieber
mit der ständigen Angst vor Entdeckungen und Nachzahlungen leben, ist ein
offenes Geheimnis.Fahrtkosten muss sie selbst tragen
Für Susanne Hausner
bleiben nach den hohen Abzügen monatlich 1051,50 Euro übrig. Außerdem benötigt
sie noch eine Monatskarte für die öffentlichen Verkehrsmittel, die weitere 169
Euro kostet, denn ein Auto kann sie sich nicht leisten. An der Volkshochschule
gibt es zwar günstigere Jobtickets – allerdings nur für die Angestellten, nicht
für die freiberuflichen Mitarbeiter.
Alle Abgaben und
Kosten fallen natürlich monatlich an. Das Geld von der Volkshochschule trudelt
jedoch nur alle acht bis zehn Wochen ein – “falls die Verwaltung pünktlich
zahlt”, wie Hausner einschränkt. Denn: “Ich bekomme das Geld erst, wenn ein
Sprachkurs zu Ende ist und ich meinen Vertrag voll erfüllt habe.”Kursausfall macht das Einkommen unkalkulierbar
Susanne Hausner kann
aber nie wirklich, sicher sein, ob sie im Monat wirklich 882,50 Euro zur
Verfügung hat: “Melden sich für einen meiner Kurse weniger als zehn Schüler an,
findet er nicht statt und ich bekomme kein Geld.” erklärt sie. Auch wenn sie
krank wird ist das ihr persönliches Pech, denn “für einen krankheitsbedingten
Ausfall von Stunden werde ich auch nicht bezahlt.”
Für dieses Honorar
unterrichtet Susanne Hausner etwa 26 bis 30 Stunden in der Woche in drei
verschiedenen Kursen. Dabei kann sie sich nicht aussuchen, viele Stunden sie
täglich arbeiten muss, denn das hängt vom Unterrichtsplan ab, auf den sie
keinen Einfluss hat: “Daher arbeite ich an einem Tag zehn Stunden und am
nächsten nur vier,” berichtet Hausner, die jeden Tag den Unterricht nicht nur
halten, sondern auch vor- und nachbereiten muss.Schülerbetreuung und Sozialarbeiten
Daneben fallen in der
Praxis viele weitere Aufgaben an, für die Hausner eigentlich gar nicht bezahlt
wird: “Vielleicht bringt mir in der Pause Fatima aus der Türkei ihren Antrag
auf Sozialhilfe mit oder Antonella aus dem Kongo ihren Antrag auf Wohngeld.”
Auch wenn die Lehrerin
keine Ahnung davon hat, hilft sie gerne und übersetzt die Fragen ins Englische
oder Französische, denn: “Die kennen ja sonst niemanden, der Deutsch kann.”Verwaltungsarbeiten & Ausnutzerei
Am schlimmsten findet
Susanne Hausner jedoch, dass sie für die geringe Bezahlung auch noch
Verwaltungsarbeit mit übernehmen muss, obwohl sie weder angestellt ist noch ein
Büro hat:
“So soll ich ständig
fehlenden Kursteilnehmern hinterher telefonieren, ihnen ihre Zertifikate
nachzuschicken oder sie an anderen Institutionen anmelden, wenn sie für meinen
Kurs ungeeignet sind”, ärgert sich Hausner, die sich durch solche Extraausgaben
ausgenutzt fühlt: “Wie wenig wir Lehrkräfte verdienen, ist der ganzen
Verwaltung bekannt. Doch ich weiß, dass die Verwaltung am längeren Hebel sitzt
und mir einfach keinen neuen Vertrag geben kann, wenn ich mich unkooperativ
zeige.”Idealismus im Job
Warum macht sie den
Job überhaupt? “Es macht tatsächlich auch Spaß. Denn ich denke, dass ich das
Deutschlandbild unsere Zuwanderer mit prägen kann.” nennt Hausner die positiven
Aspekte ihrer Arbeit.
“Wenn diese sich in meinem Kurs wohl finden und etwas Positives mitnehmen können, werden sie sich vielleicht auch besser in Deutschland zurecht finden und sich mit Demokratie und Rechtstaatlichkeit identifizieren können.”
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