Eltern prägen den gesamten Bildungsweg

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Bildung ist ein sprachlich, kulturell und historisch bedingter Begriff mit sehr komplexer Bedeutung. Eine präzise, oder besser noch einheitliche Definition des Bildungsbegriffs zu finden, erweist sich daher als äußerst schwierig. Je nach Ausrichtung und Interessenlage variieren die Ansichten darüber, was unter „Bildung“ verstanden werden sollte, erheblich.
„‚Bildung‘ verweist auf Bild und damit zurück auf die bis in unser Jahrhundert aufgegriffene […] Genesispassage (1. Buch Mose 1,26f.), nach der Gott den Menschen nach seinem Bilde geschaffen hat. Gleichzeitig ist es diesem Geschöpf verboten, sich ein Bild Gottes zu machen.“
Der Begriff Bildung wurde von dem mittelalterlichen Theologen und Philosophen Meister Eckhart in die Deutsche Sprache eingeführt. Er bedeutete für ihn das „Erlernen von Gelassenheit“ und wurde als „Gottessache“ angesehen, „damit der Mensch Gott ähnlich werde“.
Seit der neuzeitlichen Aufklärung, der Begründung der Anthropologie als Wissenschaft und Lehre vom Menschen, dem pädagogischen Jahrhundert setzt sich eine Neubestimmung des Bildungsbegriffs durch. Danach ist der Mensch nicht mehr (nur) Geschöpf Gottes, sondern Werk seiner selbst: Selbstbildung, Selbstpraxis. Zugleich hängt der Prozess individueller Bildung von den Gelegenheiten ab, die eine Gesellschaft in materiellen (Bildungsökonomie), organisatorischen (Bildungssoziologie) und programmatischen (Lehrpläne, Curricula) Hinsichten bietet, damit Bildung gelingen kann.
Wolfgang Klafki bezeichnet Bildung als „Erschlossensein einer dinglichen und geistigen Wirklichkeit für einen Menschen – das ist der objektive oder materiale Aspekt; aber das heißt zugleich: Erschlossensein dieses Menschen für diese seine Wirklichkeit – das ist der subjektive und der formale Aspekt zugleich im ‚funktionalen‘ wie im ‚methodischen‘ Sinne.“
Nach Bernward Hoffmann wird Bildung als die Entfaltung und Entwicklung der geistig-seelischen Werte und Anlagen eines Menschen durch Formung und Erziehung verstanden:
„Der Begriff ist abgeleitet vom ‚Bild‘, einer Sache Gestalt und Wesen zu geben. Das Wort Bildung ist heruntergekommen zur Bezeichnung bloßen Formalwissens. Bildung ist dann nicht weit von Einbildung entfernt oder bezeichnet nur das, was gesellschaftliches Nützlichkeitsdenken der Herrschenden gerade für wichtig erachtet.“
Nach Daniel Goeudevert ist Bildung „ein aktiver, komplexer und nie abgeschlossener Prozess, in dessen glücklichem Verlauf eine selbständige und selbsttätige, problemlösungsfähige und lebenstüchtige Persönlichkeit entstehen kann“. Bildung könne daher nicht auf Wissen reduziert werden: Wissen sei nicht das Ziel der Bildung, aber sehr wohl ein Hilfsmittel. Darüber hinaus setze Bildung Urteilsvermögen, Reflexion und kritische Distanz gegenüber dem Informationsangebot voraus. Dem gegenüber stehe die Halbbildung, oder, wenn es um Anpassung im Gegensatz zur reflexiven Distanz gehe, auch die Assimilation.
Eine alternative Definition findet sich bei Kössler:
„Bildung ist der Erwerb eines Systems moralisch erwünschter Einstellungen durch die Vermittlung und Aneignung von Wissen derart, dass Menschen im Bezugssystem ihrer geschichtlich-gesellschaftlichen Welt wählend, wertend und stellungnehmend ihren Standort definieren, Persönlichkeitsprofil bekommen und Lebens- und Handlungsorientierung gewinnen. Man kann stattdessen auch sagen, Bildung bewirke Identität […]“
Um dem Theorie-Dilemma zu entgehen, einseitig die subjektive oder objektive Seite der Bildung zu erhöhen, kennzeichnet sie Tobias Prüwer als einen offenen Prozess, der sich insbesondere als ein sprachlich vermitteltes Situieren im Verhältnis von Ich, Welt und sozialer Mitwelt vollzieht. Er schlägt eine „postmoderne“ Variante vor:
„Skepsis und Kritik stellen wesentliche Merkmale der Bildung dar: Differenzieren und Unterscheiden legen die Grundlage für selbständiges Ermessen und eine souveräne Urteilskraft, schärfen und relativieren das individuelle Weltbild. Bildung zielt auch auf das Offene und Mögliche, das innerhalb der Sachzwanglogik aus den Augen gerät. In der im Bildungsbegriff verankerten Anerkennung der verschiedenen und gleichrangigen Lebensformen liegt zudem ein radikal-demokratisches Element.“
Während in unserem Alltagsdenken und -handeln der Bildungsbegriff stark mit Begriffen wie „Belehrung“ und „Wissensvermittlung“ verbunden ist, wurde er seit Wilhelm von Humboldt in der Theorie und der Programmatik erweitert. Nach Hartmut von Hentig komme „dem Wort Bildung seither das Moment der Selbständigkeit, also des Sich-Bildens der Persönlichkeit“ zu. Humboldt selbst führte dazu aus:
„Es gibt schlechterdings gewisse Kenntnisse, die allgemein sein müssen, und noch mehr eine gewisse Bildung der Gesinnungen und des Charakters, die keinem fehlen darf. Jeder ist offenbar nur dann guter Handwerker, Kaufmann, Soldat und Geschäftsmann, wenn er an sich und ohne Hinsicht auf seinen besonderen Beruf ein guter, anständiger, seinem Stande nach aufgeklärter Mensch und Bürger ist. Gibt ihm der Schulunterricht, was hierfür erforderlich ist, so erwirbt er die besondere Fähigkeit seines Berufs nachher so leicht und behält immer die Freiheit, wie im Leben so oft geschieht, von einem zum anderen überzugehen.“
Das Wort Bildung selbst ist ein typisch deutsches Wort, es steht in spezifischer Beziehung zu „Erziehung“ und „Sozialisation“. Diese in der deutschen Sprache unterschiedlich belegten Begriffe sind im Englischen wie auch im Französischen als education zusammengefasst, wobei dem Aspekt der formation, der inneren Formbildung, besondere Bedeutung zukommt.

Der Begriff ist ferner abzugrenzen von Begriffen, mit denen er umgangssprachlich oft synonym verwendet wird: den Begriffen Wissen, Intellektualität und Kultiviertheit. Der Begriff Bildung schließt allerdings (je nach Interpretation des Bildungsbegriffs in unterschiedlichem Maße) Facetten aller unterschiedenen begrifflichen Aspekte mit ein. Außerdem besteht eine gewisse Nähe zum Begriff Reife

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